"Ich sehe in 5G vor allem die Chance der besseren Netzabdeckung und Verfügbarkeit."
Interview mit Oliver Martin von FarmBlick

Ein weiterer Punkt war die Versorgung von LTE & 5G in den ländlichen Gebieten. Kann der derzeit unzureichende Ausbau der Mobilfunkprovider in den ländlichen Gebieten zu einem Hemmnis auf dem Weg zur erfolgreichen Digitalisierung werden? Welche Risiken aber auch Chancen sieht hier unser Interviewpartner?
Oliver Martin: Direkt aus der Landwirtschaft stamme ich nicht. Ich bin viel mehr durch Heirat zu diesem interessanten Berufsfeld gekommen. Da ich von meiner Ausbildung aus dem Bereich Elektronik und Automatisierung komme, habe ich recht schnell versucht, wiederholbare Messgrößen zu finden und wiederkehrende Prozesse zu vereinfachen und zu optimieren. So habe ich nach und nach den mittelständigen Familienbetrieb optimiert und verbessert. Vor allem habe ich dies nicht nur auf rein technische Aspekte bezogen, sondern die Landwirtschaft als System betrachtet. Vom Boden zur Pflanze eben.
So ist es nach und nach gekommen, dass immer mehr Berufskollegen meinen Rat wünschten und ich mich in 2017 entschlossen habe, ein eigenes Unternehmen für Smart-Farming Lösungen zu gründen. Wie schon damals, betrachtet "FarmBlick" Landwirtschaft als System und wir beraten unsere Kunden, wie sie bestehende Technik effizienter nutzen können, Prozesse optimieren und ihre Bodenfruchtbarkeit steigern.
Zusätzlich zu diesen Beratungen bieten wir verschiedene „smarte“ Services, wie z.B. die Bodenkartierung mittels Sensoren oder hochgenaue Bodenprobenentnahme und Auswertung an. Abgerundet wir unser System durch eine eigene Web-Applikation, der FarmBlick-Community. Diese stellt quasi den Werkzeugkasten für „smarte“ Tools dar und vereinfacht den Datenaustausch im landwirtschaftlichen Betrieb und zu Partnern und Dienstleistern. Ebenso bietet unsere Plattform den Landwirten die Möglichkeit, moderne Satellitentechnologie einfach und praxistauglich zu nutzen.
Oliver Martin: Umsetzen lassen sich digitale Ansätze in vielerlei Hinsicht, das ist jedoch von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich. Bevor wir Landwirten Optimierungen empfehlen, schauen wir uns den Betrieb, dessen Technik und Abläufe genau an. Erst dann wird gemeinsam mit dem Betriebsleiter entschieden, welcher Schritt der richtige wäre und wie dieser durchgeführt werden soll. Das können bei dem einen Betrieb Optimierungen in der Düngeapplikation sein, bei dem anderen Verbesserungen in Dokumentations- und Auftragsabläufen. Grenzen stellen dabei oft gewachsene Strukturen dar, inkompatible Technik und die Umstellung in eine andere Denkweise. Digitalisierung beginnt im Kopf!
Oliver Martin: Die Frage ist, was ist digital? Bei dem einen fängt die Digitalisierung mit einer Wetter-App auf dem Smartphone an, bei dem anderen erst bei voll autonomen Systemen. Die Spanne geht hier sehr weit. Grundsätzlich würde ich jedoch sagen, dass sich immer mehr Landwirte mit der Thematik beschäftigen. Nicht nur deshalb, weil Auflagen erhöht werden, sondern weil der Nutzen immer greifbarer und „handfester“ wird. Ich selbst bin der Überzeugung, dass nur die landwirtschaftlichen Betriebe langfristig am Markt bestehen können, welche sich mit der Thematik auseinandersetzen. Die immer größere Spaltung zwischen Verbraucher und Lebensmittelerzeuger wird dazu führen, dass noch mehr Dokumentation und Einsparung von Wirtschaftsgütern gefordert wird. Dies wird früher oder später nur noch mit komplexen und smarten Systemen möglich sein. Die Arbeit auf dem Feld muss schließlich auch noch erledigt werden.
Oliver Martin: Einfach beschreiben würde ich es so. „Messgrößen erfassen und gezielt darauf reagieren und dies vor allem wiederholbar." Dies bedeutet zum Beispiel, Nährstoffzusammensetzungen im Boden mittels Bodenproben und GPS messen und entsprechend mit der Düngung auf die Analyseergebnisse reagieren. Nach einem gewissen Zeitpunkt wieder an den gleichen Stellen messen und die Veränderung entsprechend beurteilen.
Oliver Martin: Der Vorteil liegt darin, dass Landwirte viel gezielter auf die Bedürfnisse von Boden und Pflanze eingehen können und damit eine Ertrags- bzw. Ernährungssicherheit garantieren. Der große Nachteil liegt darin, dass durch den vermehrten Einsatz von Prognosemodellen, KI (Künstliche Intelligent) und ähnlichen Systemen, das eigentliche Wissen zum Acker bzw. Pflanzenbau verloren geht. Ein mögliches Szenario wäre langfristig, dass der klassische Beruf Landwirt durch einen IT-Manager ersetzt wird. Dies ist im ersten Moment nicht schlimm, aber sollte es zu einer Krise oder ähnlichem Vorfall kommen, durch welche die HighTech Systeme nicht mehr zur Verfügung stehen, wer baut dann die Lebensmittel an? Gerade bei einem so extrem wichtigen Wirtschaftszweig, sehe ich die Verantwortung für Resilienz und Prozesssicherheit als mit am höchsten. Digitalisierung in der Landwirtschaft bedeutet eine sehr große Verantwortung.
Oliver Martin: Im ganzen Dschungel dieser Begriffe blickt fast kein Mensch mehr durch und die wenigsten wissen, wo der eigentliche Unterschied liegt. Ich für meinen Teil sehe Begriffe wie „Precision Farming“, „Smart-Farming“ oder „Landwirtschaft 4.0“ als Überbegriff für ein und dieselbe Sache.
Oliver Martin: Auf aktuell in der Masse verwendeten Maschinen spielen diese Standards meiner Meinung nach keine bis fast keine Rolle. Es ist jedoch zunehmend zu erkennen, dass sich Lohnunternehmen oder große landwirtschaftliche Betriebe mit mobilen Endgeräten ausstatten, welche auf Maschinen eingesetzt werden und verschiedene Informationen austauschen. Auch merken wir an Anfragen, dass der klassische USB-Stick nach und nach durch Telemetriesysteme abgelöst wird bzw. die Nachfrage nach praxistauglichen Lösungen steigt. Durch die Verbreitung solcher Systeme, werden auch höhere Bandbreiten und noch viel mehr, eine bessere Netzabdeckung erforderlich.
Oliver Martin: Auf jeden Fall. Das merke ich fast täglich, wenn ich bei Kunden auf dem Betrieb oder Feld bin und mal wieder keine mobilen Daten zur Verfügung habe. Besonders Cloud und Smartphone-App basierende Systeme sind hier deutlich im Nachteil und werden daher nur unzureichend genutzt. Das hemmt nicht nur, sondern schreckt auch vor höherer Digitalisierung ab.
Oliver Martin: Ich sehe in 5G vor allem die Chance der besseren Netzabdeckung und Verfügbarkeit. Zusätzlich ermöglicht die Kombination von Abdeckung und Bandbreite völlig neue Möglichkeiten. So können Echtzeitdaten von bspw. Drohnen direkt auf das hinterherfahrende Applikationsgerät überspielt werden. Ich bin überzeugt, dass wir heute noch gar nicht abschätzen können, was uns diese Technologie für Möglichkeiten eröffnet.
Oliver Martin: Ich gehe davon aus, dass digitale Hilfsmittel einen starken Einzug in die Praxis gehalten haben. Passive und aktive Sensoren werden zur alltäglichen Arbeit dazu gehören. Roboter und autonome Systeme werden in den ersten Betrieben eingesetzt. Der klassische Landwirt wird sich mehr auf die Beurteilung von Prozessen konzentrieren, als diese durchzuführen. Aufgrund der höheren Kapitaldienste und der steigenden gesetzlichen Auflagen, werden die Betriebe wachsen und kleinere Familienbetriebe nur durch Kooperationen am Markt bestehen können.