Wir haben uns, nach fast 3 Jahren, erneut mit Jörn Gutbier vom der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation „diagnose:funk e.V.“ über mögliche gesundheitliche Gefahren und Risiken beim 5G-Ausbau unterhalten. Im Interview gibt der Experte spannende Einblicke und kritisert das Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestages (TAB) scharf.
5G und die Gesundheitsfolgen
Viele Menschen sehen den zunehmenden Mobilfunkausbau kritisch. Sie unterstellen 5G sowie dessen Vorgängern, dass sie gesundheitliche Gefahren und Risiken für uns Menschen darstellen. Bereits Ende 2018 hatten wir uns über das Thema mit Jörn Gutbier vom der bekannten Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation „diagnose:funk e.V.“ unterhalten. Nun war es an der Zeit, in einem neuen Interview nach dem aktuellen Stand der Dinge zu fragen. Und der ist leider durchwachsen…
Noch immer liegt keine Technikfolgenabschätzung seitens der Politik/Wissenschaft zu 5G vor. Dies kritisert Herr Gutbier scharf. Die letzte Antwort des Büros für Technikfolgenabschätzung des Bundestages (TAB) auf eine Anfrage der Organisation, wann denn eine Folgenabschätzung zu 5G vorliegen wird, war am 13.08.2020 folgende: „…, ein TA-Bericht zu den Auswirkungen von 5G ist zurzeit nicht vom Bundestag geplant.“ Der Politik scheint es also nicht sonderlich wichtig zu sein, dieses Thema wissenschaftlich anzugehen. Die wirtschaftlichen Vorteile von 5G überwiegen wohl.
TAB macht „Bock zum Gärtner“
Noch frappierender wird es aber, wenn man sich die 2017 in Auftrag gegebene und auf die Mobilfunktechnologie im Allgemeinen gerichtete Technikfolgenabschätzung anschaut. Auch hier äußert der Experte harsche Kritik. Denn wie „diagnose:funk e.V.“ durch Zufall erfahren hat, „hat das TAB offensichtlich den Bock zum Gärtner gemacht. Die Beauftragung des wahrscheinlich wichtigsten Teils des Gutachtens, die Beurteilung ‚zum Stand des Wissens über mögliche gesundheitlichen Wirkungen von Mobilfunkexpositionen‘, wurde quasi direkt bei der Mobilfunk- und Elektroindustrie in der Schweiz in Auftrag gegeben!“. Denn die Lobbyzentrale „Forschungsstiftung Strom und Mobilfunkkommunikation“ (FSM) beurteilte nach deren Aussage für den deutschen Bundestag, welche „möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der Mobilfunk auf Menschen und Umwelt hat. Absurder geht es nicht.“
Der Experte führt weiter aus: „Was der TAB sich hier leistet, ist an politischer Dreistigkeit wohl kaum zu übertreffen. Es kann jeder nachlesen, dass die FSM eine Stiftung mit Sitz in der ETH-Zürich ist, die zu 98% von den Mobilfunk- und Stromnetzbetreibern und deren Zulieferern finanziert wird. Die Stiftung ist kein Bestandteil der angesehenen Hochschule, sondern hat in den Gebäuden der ETHZ nur ihre Geschäftsstelle eingemietet.“ Er zieht den Vergleich, als würde man das Tabacco Institute Inc. zum Thema Rauchen und dessen Auswirkungen auf die Gesundheit befragen. Auch hier dürfte man keine neutralen und fundierten Ergebnisse erwarten.
Immer mehr Beachtung
Dieses Vorgehen ist natürlich hochproblematisch und sorgt nicht gerade dafür, dass die Menschen Vertrauen in die Politik sowie deren Gutachten haben können. Gutbier äußert in unserem Interview folgenden Wunsch an die zuständigen Politiker: „Ich hoffe sehr, dass den Fraktionen klar wird, dass sie hier einseitigen Interessen aufsitzen sollen. Wenn der Bundestag einen Bericht über eine Risikotechnologie durchwinkt, der in seinem wichtigsten Teil von der Anwenderindustrie selbst geschrieben wurde, wird das die bereits heftigen Diskussionen um die Mobilfunktechnik und den breiten Widerstand in der Bevölkerung gegen die amtlich verweigerte Vorsorgepolitik noch weiter anheizen.“ Weiter führt er aus, dass dies „einer Politikverdrossenheit weiteren Vorschub leisten“ würde, wenn publik wird, „wie leicht unsere Parlamentarier mit industrieabhängigen Bewertungen beeinflusst werden können.“
Positiv sieht Gutbier hingegen, dass die Kritik und Analysen des „diagnose:funk e.V.“ immer mehr Beachtung finden und auch von bedeutenden Institutionen geteilt werden. So hat nach seiner Aussage unter anderem der wissenschaftliche Dienst des Europaparlaments „letztes Jahr in zwei Veröffentlichungen bzw. internen Arbeitspapieren deutlich gemacht, dass 5G eine Risikotechnologie ist“. In vielen Städten wie Lyon, Marseille und weiteren wächst der Vorbehalt gegenüber 5G. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Proteste, die allerdings von den Betreibern laut Gutbier kaum beachtet werden. Weitere spannende Einblicke in die Standpunkte und Arbeit von Jörn Gutbier vom „diagnose:funk e.V.“ gibt es in unserem Interview.
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M. Schwarten
freischaffender Redakteur
Technik begeistert mich seit rund 25 Jahren – vor allem dann, wenn sie das Leben leichter statt komplizierter macht. Besonders am Herzen liegen mir Mobile Devices wie Smartphones, Tablets und Smartwatches. In diesem Bereich arbeite ich seit vielen Jahren.