5G Fixed Wireless Access (FWA)
Gigabit Heim-Anschlüsse per Funk und 5G
Der LTE-Nachfolger 5G kann nicht nur Smartphones auf Gigabit-Speed beschleunigen und das Internet der Dinge vorantreiben. Der Funkstandard ermöglicht prinzipiell endlich auch Datenraten von über 1000 MBit in jedem Dorf, auch ohne teuren Glasfaserausbau. Wie? Entweder direkt per 5G-Mobilfunk in Form von Heim-Tarifen oder über eine Technik namens 5G Fixed Wireless Access, kurz 5G FWA.
1. Gigabit Internet für alle: So funktioniert es
Der Gedanke ist simpel – warum nicht die Eigenschaften von 5G zur Überbrückung der letzten Meile per Funk nutzen, wo die Anbindung mittels Glasfaserausbau zu teuer ist? Gemeinhin gilt die letzte Meile seit jeher als der größte Bremsklotz im Breitbandausbau, da sie auch der größte Kostentreiber repräsentiert. Genau da setzt Fixed Wireless Access an! Die Strecke vom Verteilerkasten zum Kunden wird mit einer Art Richtfunkstrecke und der 5G-Technik realisiert. Teure Kabelschachtarbeiten sind also nicht nötig. Bei Frequenzen um die 26 GHz und darüber, verhalten sich die Funkwellen ähnlich wie Licht, können also gebündelt und fokussiert auf einer Strecke bis ca. 1 Kilometer transferiert werden.
5G FWA soll eine leistungsstarke Alternative zu Kabel, VDSL und DSL werden, besonders in ländlichen Gegenden oder Kleinstädten.
2. Anbieter: Wer arbeitet an 5G FWA?
Vodafone hat bisher keine Bestrebungen derart veröffentlicht, sondern bietet direkt 5G-Zuhause Lösungen über die Gigacube-Tarife. Es sind aber schon länger Pläne und Testprojekte von der Deutschen Telekom, als auch von O2 bekannt. Mehr zu den Telekom-FWA Plänen hier und hier zu O2 FWA. Soviel vorweg: Ursprünglich planten beide Unternehmen passende Tarife über 5G Fixed Wireless Access für Endkunden anbieten. Allerdings liegen diese Bekundungen schon etliche Jahre zurück - etwa um 2019 herum. Bis heute gibt es kein Update ob diese doch noch realisiert werden. Aber: Dafür ist bekannt, dass die Telekom 2023 ein anderes ähnliches Projekt startet. Siehe dazu folgend mehr!
Im Gegensatz zu O2, hat die Deutsche Telekom im Marktsegment "Internet per Funk" schon einiges an Erfahrung gesammelt. Seit der Einführung von LTE, vertrieben die Bonner mehrere Komplettlösungen rein auf Funkbasis. Unter anderem auch Hybrid-Internet, ein Mischung-Anschluss aus (V)DSL und 4G. Die Hybrid-Tarife sollen Anfang 2023 nun auch über 5G starten.
O2-Telefónica hielt sich mit derartigen Angeboten lange zurück und setzte vornehmlich auf das Smartphone-Mobilfunksegment. Seit der Einführung von 5G scheint sich das erstmals zu ändern. Denn 2021 starte der Provider bereits eine Funk-Festnetz Alternative über 4G oder 5G über den Homepsot Router. Ein Richtungswechsel ist für O2 auch bitter nötig. Denn im Gegensatz zur Telekom und Vodafone, unterhält O2 noch kein eigenes Festnetz zur Versorgung der Kunden mit schnellem Internet. Zwar baut der Konzern mittlerweile auch Glasfaser aus, doch stehen die Bemühungen noch ganz am Anfang. Mit ausgefeilten Funk-Lösungen, kann das Düsseldorfer Unternehmen die Lücke kostengünstig schließen.
Aber auch einige lokale Provider testen den Einsatz von FWA. So zum Beispiel die Netcom BW, welche im Januar 2020 einen dreimonatigen Testlauf mit 20 Kunden beendete. Das Fazit der Kunden viel durchaus positiv aus. Einige erzielten fast 1 GBit mit dem Heimanschluss per Funk.
2.1 Die 1und1 Internet AG startete bereits "5G FWA"
Ende 2022 kündigte 1und1 in einer Pressemitteilung überraschend an, man biete von nun an eine Tarifgruppe namens "1&1 5G Zuhause" über FWA[1]. Die Tarife bieten bis zu 250 GB monatlich bei maximal 500 MBit/s. Als Router kommt eine FritzBox 6850 5G in Form des "Homeserver+ 5G" zum Einsatz. Der Haken: Bisher gibts das Angebot nur in ganz wenigen Städten und dann auch nur in Großstädten, wo der Breitbandausbau über Kabel oder Glasfaser ohnehin schon sehr gut ist. Warum sollte man dafür relativ viel Geld einen volumenbegrenzten Tarif über Funk buchen? Zudem ist offen, warum 1&1 bei dem Angebot von "FWA" spricht. Es scheint ein normaler Mobilfunk-Tarif im hauseigenen, sich im Aufbau befindlichen, 5G-Netz zu sein. Also ohne die für Fixed Wireless Access typische Richtfunkanbindung. Zugegeben - es ist letztendlich eine Definitionsfrage.
3. Drei Begriffe, ein Konzept
Natürlich eignet sich der etwas sperrige Begriff „Fixed Wireless Access“ kaum, um damit potenziell interessierte Kunden anzusprechen. Daher haben die Marketingabteilungen greifbarere Bezeichnungen ersonnen. Bei der Deutschen Telekom heißt es treffender Weise „Virtual Fiber“, sozusagen „virtuelle Glasfaser“ - da FWA zwar die Eigenschaften von Glasfaser-Internet aufweist, aber ausschließlich per Funk ohne Lichtwellenleiter übertragen wird. Huawei setzt auf den Begriff „Air Fiber“, was soviel bedeutet wie „Glasfaser über die Luft“.
FWA Empfangseinheit für Zuhause von O2 | Bild: Rolf Otzipka / O2 Presse
4. Wann kommt Fixed Wireless Access?
Bis zum Jahr 2020 sah es so aus, als ob es nicht mehr lange dauert. Nachdem nun weitere Jahre vergangen sind, glauben wir seit 2024 kaum noch an einem Release der bereits erfolgreich von O2 und Dt. Telekom getesteten FWA-Tarife.
Die Telekom vermarktet vor allem 5G-Hybrid und treibt, wie angekündigt, bis 2030 massiv den Glasfaserausbau voran. O2 setzt weiter direkt auf 5G-Mobilfunk mit den Homespot-Tarifen. Ggf. könnten künftig einige regionale Anbieter den Weg gehen und FWA statt Glasfaser vertreiben!
Möglich wäre ein Revival eventuell, wenn die mmWave Frequenzen in Deutschland eingeführt werden. Diese gehören ja von Anfang an eigentlich mit zum Konzept!
Update September 2024: Leider gibt es, wider erwarten, noch keine neuen Entwicklungen bzw. Aussichten auf entsprechende Tarife - sieht man von dem 1&1 Angebot ab (siehe Punkt 2.1).
4.1 Blick zurück: erste Tests starteten schon Ende 2018
Wie schon angedeutet, testen O2 (Details) und Telekom (Details) FWA schon länger – und zwar sogar unter Realbedingungen mit echten Verbraucherhaushalten. Die Technik ist also keineswegs nur hypothetischer Natur, sondern funktioniert bereits! Glaubt man den Angaben beider Unternehmen, sogar bestens!
Bild: O2 Telefónica
5. Wie schnell könnten FWA-Tarife werden?
In frühen Tests konnten Datenraten von gut 1 GBit/s (1000 MBit/s) realisiert werden. Theoretisch sind aber über die Technik auch weit höhere Transferraten erreichbar. Genauer gesagt wären beim "Funk-Glasfaser" auf 26 GHz angeblich bis zu 4 GBit/s machbar.
6. Wäre neue Hardware nötig?
Teils ja, teils nein. Natürlich wird ein spezieller Empfänger benötigt, was vom Prinzip dem Glasfasermodem bei FTTH entspricht, nur dass dieser die Richtfunkwellen aufnimmt. Die Empfangseinheit soll, je nach Möglichkeit vor Ort, indoor oder outdoor angebracht werden. Daran wird dann, wie gewohnt, ein leistungsstarker WLAN-Router angebunden, wie z.B. der Speedport Pro+.
Möglich wäre aber auch eine Lösung mit Standalone-Routern. Entsprechende Geräte hat z.B. Huawei mit dem „5G Pro“ Router in der Pipeline, der erstmals auf dem MWC 2019 vorgestellt wurde.
7. Vorreiter USA
Wie so oft, haben andere Länder die Nase vorn. Der US-amerikanische Provider Verizon vertreibt seit 2018 (!) ein 5G FWA-Tarif namens "5G HOME". Ohne Volumenbegrenzung mit 300 MBit für um die 35 $ monatlich.
8. Unser Fazit
Mit Fixed Wireless Access könnte endlich der Durchbruch für die Versorgung (zu vertretbaren Kosten) des ländlichen Raumes mit superschnellem Internet ins Haus stehen. Auf dem Papier erscheint die Technik der ideale Kompromiss zu sein, ohne dass überall aufwändig zeitnah Glasfaserleitungen vergraben werden müsste. Natürlich soll FWA diese nicht ewig ersetzen, aber zumindest eine Brückentechnik schaffen, bis FTTH für alle bezahlbar wird.
Ob 5G FWA überhaupt noch startet steht aber leider in den Sternen. Selbst wenn, dürfte der Erfolg in erster Linie von den Tarifen abhängen, welche z.B. Dt. Telekom und O2 künftig schnüren. Gigabit per Funk wird es zu Beginn aber wohl kaum unter 70 € geben, so realistisch sollte man sein.
Die entscheidende Frage dürfte aber wie immer sein, wie viel Inklusivvolumen den FWA-Kunden zur Verfügung steht bzw. ob es eine Volumenlimitierung geben wird? Denn 1 GBit mit nur 100 GB bringt eben nur kurzfristig Vorteile in einem langen Nutzungsmonat …
sonstige Quellen:
[1] https://unternehmen.1und1.de/produkt-news/2022/11-5g-zu-hause-11-ersetzt-festnetzanschluesse-durch-5g-mobilfunk/