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"Direct Access hat die wesentlichen Vorteile der niedrigeren Latenz und der Überall-Verfügbarkeit"


Im Interview mit Rainer Wansch vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS zu 5G Direct Access und Integration von Satelliten in 5G


Rainer Wansch, Fraunhofer IIS
München, 01.05.2021; Seit 2019 5G offiziell startete, wird es ständig weiter in der Fläche ausgebaut, um auch den letzten noch unerschlossenen weißen Fleck auf der Breitband-Ausbau Karte zu schließen. Höhere Geschwindigkeiten und niedrigere Latenzen sind dabei nur einer der Vorteile der 5. Mobilfunkgeneration.

Ein Nachteil liegt allerdings in der Infrastruktur. Entweder müssen bestehende Funkmasten auf 5G umgerüstet oder neue aufgebaut/installiert werden. Dies kostet nicht nur Zeit und Geld auf Seiten der Netzbetreiber, sondern mindert auch die schnelle Ausbreitung des Mobilfunkstandards. Besonders in Entwicklungsländern oder entlegenen Regionen oder Gebieten mit sehr geringer Einwohnerzahl (z.B. Nordkanada), wird das sogar zum Problem.

Und genau hier springt das Fraunhofer IIS in die Bresche und stellt mit 5G Direct Access über Satellit eine erstaunliche Lösungsmöglichkeit vor. Der Austausch des Funksignals verläuft bei dieser Technologie nicht mehr wie bisher zwischen dem Endgerät und einem Funkmast, sondern direkt über den Satellit. Damit ist der 5G Empfang mit hoher Übertragungsgeschwindigkeit und niedriger Verzögerung praktisch überall auf der Welt möglich.

Darüber sprachen wir mit Rainer Wansch vom Fraunhofer IIS. Im Interview erklärt er die Funktionsweise der neuen Technik, welche weiteren Vorteile sie bringt und wann wir ggf. in deren Genuß kommen werden. Auch gehen wir u.a. auf die Fragen ein, ob neue Satelliten und neue Endgeräte benötigt werden.

5G-Anbieter.info: Herr Wansch, vielen Dank für das Interview! Bitte stellen Sie sich und Ihr Team kurz vor.

Rainer Wansch: Mein Name ist Rainer Wansch, ich leite am Fraunhofer IIS die Abteilung HF und SatKom Systeme. Zusammen mit meinen 30 MitarbeiterInnen erarbeiten wir Lösungen für den Einsatz von Satelliten in verschiedenen Anwendungen. Das reicht von IoT- über 5G-NTN- bis hin zu High-Throughput-Anwendungen basierend auf DVB-S2X. (Anmerkung der Redaktion: NTN = "Non-Terrestrial Networks"). Zudem gehören auch Antennen und On-Board-Prozessoren zu unserem Forschungsgebiet.

5G-Anbieter.info: Sie und Ihr Team arbeiten am Fraunhofer Institut in Erlangen auch an der Integration von „Satelliten in 5G“. Der 5G-Mobilfunkstandard wird ja seit 2019 auf der ganzen Welt ausgebaut, so auch in Deutschland. Internet über Satellit gibt es hingegen schon viele Jahre. Auf den ersten Blick passen beide Welten auch nicht so richtig zusammen, oder?

Rainer Wansch: Auf den ersten Blick vielleicht nicht, man könnte die beiden Welten auch weiterhin strikt getrennt halten. Allerdings ermöglicht der Satellit für 5G und 5G für den Satelliten völlig neue Anwendungen, die so bisher noch nicht möglich waren. Insbesondere erlaubt es erstmalig die Verwendung von einheitlichen Endgeräten. Damit ergeben sich Vorteile für 5G in der Fläche, die über Satellit leichter zu versorgen ist.

5G-Anbieter.info: Woran genau arbeiten Sie und Ihr Team?

Rainer Wansch: Zum einen sind wir aktiv in der 5G-Standardisierung und arbeiten innerhalb der 3GPP gemeinsam mit Mobilfunkanbietern, Systemintegratoren, Satellitenherstellern, etc. an der erfolgreichen Integration von Satelliten in 5G.

Zum anderen arbeiten wir an den Systemarchitekturen für 5G und der Anpassung der Luftschnittstelle zur 5G-Nutzung über Satellit. Dabei kümmern wir uns weniger um sogenannte Backhauling-Anwendungen, die klassischerweise über geostationäre Satelliten angeboten werden. Vielmehr versuchen wir gleich die direkte Verbindung vom Endgerät zum Satelliten, auch Direct Access genannt, zu ermöglichen.

5G-Anbieter.info: Stichwort 5G „Direct Access“! Bei den meisten Projekten dienen Satelliten ja „nur“ als Backhaul-Anbindung für Mobilfunkstationen in entlegenen Gebieten. Sie arbeiten (erstmals?) auch an Technologien für die direkte Kommunikation zwischen Satelliten und 5G-fähigem Nutzerendgeräten (UE), z.B. Smartphones. Wie genau kann man sich das vorstellen?

Rainer Wansch: Zunächst werden die verschiedenen Komponenten, die dafür notwendig sind, entwickelt/spezifiziert/definiert. Im Speziellen geht es dann um die spezifischen Ausbreitungsbedingungen, die beim Direct Access berücksichtigt werden müssen. An der direkten Kommunikation zwischen Satellit und kleinen Endgeräten haben wir bereits in der Vergangenheit gearbeitet. Wir waren beispielsweise an der Entwicklung eines Satellitenradio-Systems beteiligt, das heute noch erfolgreich in den USA betrieben wird, und auch bei DVB-SH. Der Direct Access bei 5G ist eher für kleine Endgeräte und niedrigfliegende Satelliten gedacht. Da LEO-Satelliten leider auch sehr schnell fliegen, muss hierbei auch der Dopplereffekt entsprechend berücksichtigt werden, der hier um einiges größer ist als in der terrestrischen 5G-Anwendung.

5G per Satellit über Direct Access Infografik

5G-Anbieter.info: Nun hat ja Mobilfunk, wenn ich mein Smartphone nutze (egal ob über 4G oder 5G), eine sehr begrenzte Reichweite. Leider kann ich mir daher nicht vorstellen, wie eine Verbindung zu einem Satelliten möglich sein soll. Selbst die „tiefsten“ erdnahen Orbits (LEO) liegen 200-2000 km hoch. Welche Frequenzen und Techniken kommen da bei einem Direct Access zum Einsatz und wie funktioniert das?

Rainer Wansch: Aktuell sind dazu Frequenzen im Bereich von 2 GHz geplant. Diese wurden schon in früheren Jahren für die mobile Satellitenkommunikation reserviert/belegt/vorgesehen. Bei beiden Systemen (Satellitenradio und DVB-SH) wurde ein direkter Zugriff zwischen mittelgroßen und kleinen Endgeräten sogar bis zu GEO-Satelliten mit einer Entfernung von ca. 36.000 km ermöglicht. Da an den Endgeräten von 5G wohl eher wenige bis keine Änderungen am Formfaktor vorgenommen werden, muss natürlich am Satelliten z.B. die Antenne vergrößert werden und evtl. zusätzliche Techniken zur Fokussierung der Beams zum Einsatz kommen, um die Signale empfangen zu können.

5G-Anbieter.info: Verstehe! Wird also irgendwann einmal jedes bessere 5G-Smartphone auch direkt mit Satelliten kommunizieren können, wenn lokal kein Netz besteht (z.B. in Nord-Kanada etc.) oder wird dies eher wie heute Spezial-Geräten vorbehalten sein? Kann ich mein heute gekauftes 5G-Smartphone verwenden, um diese Technik zu nutzen oder müssen neue Geräte beschafft werden?

Rainer Wansch: Ziel ist es, dass über die 5G-Standardisierung die kommerziellen Chipsätze in den Endgeräten diese Eigenschaften unterstützen. 5G-NTN wird erstmals mit Release 17 (geplant März 2022) standardisiert, weswegen derzeitige Geräte dies noch nicht unterstützen. Vermutlich wird es noch ein paar Jahre dauern, bis diese Funktionen verfügbar sind. Anfangs werden wohl eher spezielle Geräte diese Dienste unterstützen, doch letzten Endes sollte jedes neue 5G-Smartphone auch den direkten Zugriff unterstützen können. Jedenfalls stehen die Chancen dafür gut, wenn 5G-NTN erfolgreich im 5G-Standard verankert ist, woran wir gemeinsam mit allen 3GPP-Beteiligten unter Hochdruck arbeiten.

5G-Anbieter.info: Das klingt ja interessant! Für den Betrieb bedarf es sicher auch spezieller neuer Satelliten, oder?

Rainer Wansch: Ja, die bisher im LEO operierenden Satelliten unterstützen diese Frequenzen aktuell nicht. Dazu braucht es neue Satelliten. Hier sind verschiedene Architekturen vorgeschlagen, die entweder die komplette Basisstation oder Teile davon enthalten können oder einfach die Signale wieder zum Boden leiten. Die Aufteilung der Funktionalitäten und deren Einfluss auf die Systemkomponenten wird aktuell genauer untersucht.

5G-Anbieter.info: Welche Anwendungsbereiche könnte es für 5G Direct Satellit Access Ihrer Ansicht nach geben? Gibt es schon konkrete Szenarien bzw. wann kann man vielleicht damit rechnen?

Rainer Wansch: Viel diskutiert werden natürlich mobile Internetanwendungen in abgelegenen Gebieten, wie beispielsweise das Senden und Empfangen von Nachrichten per Smartphone oder die direkte Anbindung von Schiffen oder Flugzeugen. Aber auch das Thema IoT via Satellit für abgelegene Regionen ist aktuell in der Diskussion, um eine globale und unterbrechungsfreie Erfassung von Daten zu ermöglichen.

5G-Anbieter.info: Kollegen am DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) arbeiten derzeit an ähnlichen Netzarchitekturen, wobei hier der Satellit nur als Bindeglied zwischen dem Netzkern (Backhaul) und dem Sendemast fungiert (siehe hier). Wo sehen Sie in Bezug auf Ihre Arbeit – Stichwort „Direct Access“ – Vor- und Nachteile?

Rainer Wansch: Direct Access hat die wesentlichen Vorteile der niedrigeren Latenz und der Überall-Verfügbarkeit – bei Existenz eines entsprechenden Satellitensystems. Die Backhauling- Anwendung wird aber weiterhin existieren, hier können insbesondere die geostationären Satelliten ihre Stärken ausspielen. Knackpunkt wird vor allem die clevere Verbindung der genutzten Protokolle sein.

5G-Anbieter.info: Zum Schluss noch eine Frage ganz anderer Natur: Viele Verbraucher machen sich Sorgen um etwaige gesundheitliche Aspekte beim 5G-Ausbau. Besonders die Vorstellung, dass durch Techniken wie Direct Access 5G dann global jeder Winkel abgedeckt wird, sorgt für Bedenken. Teilen Sie die Bedenken? Und wenn ja/nein, warum?

Rainer Wansch: Die Leistungsklassen für die Endgeräte werden wahrscheinlich denen der terrestrischen Netze entsprechen, von daher erwarte/sehe ich hier keine zusätzlichen Belastungen. Die Leistung, die vom Satelliten kommt, wird dabei ähnlich der an der Kante von Mobilfunkzellen (große Distanz zur Basisstation) sein, also sehr niedrig.

5G-Anbieter.info: Vielen Dank Herr Wansch für das sehr aufschlußreiche Interview.

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Bildquellen
Portraitbild: Rainer Wansch, Fraunhofer IIS - © Fraunhofer IIS - Karoline Glasow