"Direct Access hat die wesentlichen Vorteile der niedrigeren Latenz und der Überall-Verfügbarkeit"
Im Interview mit Rainer Wansch vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS zu 5G Direct Access und Integration von Satelliten in 5G

Ein Nachteil liegt allerdings in der Infrastruktur. Entweder müssen bestehende Funkmasten auf 5G umgerüstet oder neue aufgebaut/installiert werden. Dies kostet nicht nur Zeit und Geld auf Seiten der Netzbetreiber, sondern mindert auch die schnelle Ausbreitung des Mobilfunkstandards. Besonders in Entwicklungsländern oder entlegenen Regionen oder Gebieten mit sehr geringer Einwohnerzahl (z.B. Nordkanada), wird das sogar zum Problem.
Und genau hier springt das Fraunhofer IIS in die Bresche und stellt mit 5G Direct Access über Satellit eine erstaunliche Lösungsmöglichkeit vor. Der Austausch des Funksignals verläuft bei dieser Technologie nicht mehr wie bisher zwischen dem Endgerät und einem Funkmast, sondern direkt über den Satellit. Damit ist der 5G Empfang mit hoher Übertragungsgeschwindigkeit und niedriger Verzögerung praktisch überall auf der Welt möglich.
Darüber sprachen wir mit Rainer Wansch vom Fraunhofer IIS. Im Interview erklärt er die Funktionsweise der neuen Technik, welche weiteren Vorteile sie bringt und wann wir ggf. in deren Genuß kommen werden. Auch gehen wir u.a. auf die Fragen ein, ob neue Satelliten und neue Endgeräte benötigt werden.
Rainer Wansch: Mein Name ist Rainer Wansch, ich leite am Fraunhofer IIS die Abteilung HF und SatKom Systeme. Zusammen mit meinen 30 MitarbeiterInnen erarbeiten wir Lösungen für den Einsatz von Satelliten in verschiedenen Anwendungen. Das reicht von IoT- über 5G-NTN- bis hin zu High-Throughput-Anwendungen basierend auf DVB-S2X. (Anmerkung der Redaktion: NTN = "Non-Terrestrial Networks"). Zudem gehören auch Antennen und On-Board-Prozessoren zu unserem Forschungsgebiet.
Rainer Wansch: Auf den ersten Blick vielleicht nicht, man könnte die beiden Welten auch weiterhin strikt getrennt halten. Allerdings ermöglicht der Satellit für 5G und 5G für den Satelliten völlig neue Anwendungen, die so bisher noch nicht möglich waren. Insbesondere erlaubt es erstmalig die Verwendung von einheitlichen Endgeräten. Damit ergeben sich Vorteile für 5G in der Fläche, die über Satellit leichter zu versorgen ist.
Rainer Wansch: Zum einen sind wir aktiv in der 5G-Standardisierung und arbeiten innerhalb der 3GPP gemeinsam mit Mobilfunkanbietern, Systemintegratoren, Satellitenherstellern, etc. an der erfolgreichen Integration von Satelliten in 5G.
Zum anderen arbeiten wir an den Systemarchitekturen für 5G und der Anpassung der Luftschnittstelle zur 5G-Nutzung über Satellit. Dabei kümmern wir uns weniger um sogenannte Backhauling-Anwendungen, die klassischerweise über geostationäre Satelliten angeboten werden. Vielmehr versuchen wir gleich die direkte Verbindung vom Endgerät zum Satelliten, auch Direct Access genannt, zu ermöglichen.
Rainer Wansch: Zunächst werden die verschiedenen Komponenten, die dafür notwendig sind, entwickelt/spezifiziert/definiert. Im Speziellen geht es dann um die spezifischen Ausbreitungsbedingungen, die beim Direct Access berücksichtigt werden müssen. An der direkten Kommunikation zwischen Satellit und kleinen Endgeräten haben wir bereits in der Vergangenheit gearbeitet. Wir waren beispielsweise an der Entwicklung eines Satellitenradio-Systems beteiligt, das heute noch erfolgreich in den USA betrieben wird, und auch bei DVB-SH. Der Direct Access bei 5G ist eher für kleine Endgeräte und niedrigfliegende Satelliten gedacht. Da LEO-Satelliten leider auch sehr schnell fliegen, muss hierbei auch der Dopplereffekt entsprechend berücksichtigt werden, der hier um einiges größer ist als in der terrestrischen 5G-Anwendung.
Rainer Wansch: Aktuell sind dazu Frequenzen im Bereich von 2 GHz geplant. Diese wurden schon in früheren Jahren für die mobile Satellitenkommunikation reserviert/belegt/vorgesehen. Bei beiden Systemen (Satellitenradio und DVB-SH) wurde ein direkter Zugriff zwischen mittelgroßen und kleinen Endgeräten sogar bis zu GEO-Satelliten mit einer Entfernung von ca. 36.000 km ermöglicht. Da an den Endgeräten von 5G wohl eher wenige bis keine Änderungen am Formfaktor vorgenommen werden, muss natürlich am Satelliten z.B. die Antenne vergrößert werden und evtl. zusätzliche Techniken zur Fokussierung der Beams zum Einsatz kommen, um die Signale empfangen zu können.
Rainer Wansch: Ziel ist es, dass über die 5G-Standardisierung die kommerziellen Chipsätze in den Endgeräten diese Eigenschaften unterstützen. 5G-NTN wird erstmals mit Release 17 (geplant März 2022) standardisiert, weswegen derzeitige Geräte dies noch nicht unterstützen. Vermutlich wird es noch ein paar Jahre dauern, bis diese Funktionen verfügbar sind. Anfangs werden wohl eher spezielle Geräte diese Dienste unterstützen, doch letzten Endes sollte jedes neue 5G-Smartphone auch den direkten Zugriff unterstützen können. Jedenfalls stehen die Chancen dafür gut, wenn 5G-NTN erfolgreich im 5G-Standard verankert ist, woran wir gemeinsam mit allen 3GPP-Beteiligten unter Hochdruck arbeiten.
Rainer Wansch: Ja, die bisher im LEO operierenden Satelliten unterstützen diese Frequenzen aktuell nicht. Dazu braucht es neue Satelliten. Hier sind verschiedene Architekturen vorgeschlagen, die entweder die komplette Basisstation oder Teile davon enthalten können oder einfach die Signale wieder zum Boden leiten. Die Aufteilung der Funktionalitäten und deren Einfluss auf die Systemkomponenten wird aktuell genauer untersucht.
Rainer Wansch: Viel diskutiert werden natürlich mobile Internetanwendungen in abgelegenen Gebieten, wie beispielsweise das Senden und Empfangen von Nachrichten per Smartphone oder die direkte Anbindung von Schiffen oder Flugzeugen. Aber auch das Thema IoT via Satellit für abgelegene Regionen ist aktuell in der Diskussion, um eine globale und unterbrechungsfreie Erfassung von Daten zu ermöglichen.
Rainer Wansch: Direct Access hat die wesentlichen Vorteile der niedrigeren Latenz und der Überall-Verfügbarkeit – bei Existenz eines entsprechenden Satellitensystems. Die Backhauling- Anwendung wird aber weiterhin existieren, hier können insbesondere die geostationären Satelliten ihre Stärken ausspielen. Knackpunkt wird vor allem die clevere Verbindung der genutzten Protokolle sein.
Rainer Wansch: Die Leistungsklassen für die Endgeräte werden wahrscheinlich denen der terrestrischen Netze entsprechen, von daher erwarte/sehe ich hier keine zusätzlichen Belastungen. Die Leistung, die vom Satelliten kommt, wird dabei ähnlich der an der Kante von Mobilfunkzellen (große Distanz zur Basisstation) sein, also sehr niedrig.
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Portraitbild: Rainer Wansch, Fraunhofer IIS - © Fraunhofer IIS - Karoline Glasow