5G via Satellit
Alles zu Perspektiven, Chancen/Risiken & Möglichkeiten für 5G aus dem All
Zunächst klingt die Idee, Mobilfunk über Satellitentechnik auszubauen, etwas abwegig – besonders aus technischer und wirtschaftlicher Sicht. Doch spätestens seit 2019 gibt es ernsthafte Bemühungen milliardenschwerer Unternehmen wie SpaceX, Amazon und mittlerweile auch Vodafone - um nur einige zu nennen. Zudem wird in Deutschland viel Grundlagenforschung betrieben. Einige Universitäten und das Luft&Raumfahrtzentrum liefern u.a. ihren Beitrag für die Vision und dem Traum vom „Internet für Überall“ oder auch „Internet of Everything and Enywhere (IoEE). In diesem Spezial zeigen wir unter anderem, welche Probleme 4G & 5G per Satellit lösen könnten, wer daran arbeitet bzw. forscht und natürlich, wie der aktuelle Stand der Dinge ist.
1. Wozu 5G und LTE per Satellit?
Normaler Weise reicht es völlig aus, ein mehr oder weniger dichtes Netz von Funkmasten über die Erdoberfläche zu spannen. So können aktuell im Jahr 2024 bereits rund 99.6 Prozent der deutschen Verbraucher das schnelle LTE nutzen. Auch der 5G-Ausbau macht gute Fortschritte. Schon 2025 könnten, den Plänen der Deutschen Telekom nach, ca. 98 Prozent der Haushalte auch den Nachfolger "5G" nutzen. Zurzeit sind es rund 95 Prozent.
Update: Bereit Mitte 2024 hat die Deutsche Telekom einen Ausbaustand
von 97 Prozent erreicht. Der Ausbau ging also deutlich schneller vonstatten als ursprünglich geplant.
Mobilfunkausbau auf dem Land | Bild: 5G-Anbieter.info
In bestimmten Situationen (siehe Punkt 2) gibt allerdings gute Gründe für einen Wechsel von einer rein erdgebundenen Übertragung, hin zu einer satelliten-gestützten. Besonders Regionen, wo sich ein regulärer Mobilfunkausbau gar nicht lohnt, also extrem unwirtschaftlich ist. Etwa in sehr gering besiedelten Gebieten, wie Halligen, Wäldern oder Bergarealen. Man denke nur an den Norden Kanadas, wo Mobilfunk oft zwischen den Siedlungen noch kein Thema ist und Satellitentelefone oder CB-Funk die einzigen Notrufmöglichkeiten bieten.
Doch einzig für solche Regionen wäre der Aufwand, Milliarden teure Satelliten ins All zu schicken, natürlich noch weniger vertretbar. Es geht um nichts weniger als die komplette Erschließung jedes Winkels auf dem Planeten für stationäre und bewegliche Ziele. Die Kosten dafür sind hoch, aber es winkt ein enormer Markt mit ca. 5 Mrd. potenzieller Kunden.
2. Anwendungsfelder: Hier soll das 5G-Netz aus dem All eingesetzt werden
Besonders in den Entwicklungsländern und deren abgelegene Winkel, haben nach wie vor mehrere Milliarden Menschen weltweit keinen oder nur unzureichenden Zugang zum Internet. Einerseits soll der flächendeckende 5G-Mobilfunk per Satellit perspektivisch die „digitale Kluft bzw. Spaltung“ überwinden. Doch das ist natürlich nur eine Seite der Medaille.
Denn andererseits gibt es handfeste technische Szenarien in der Wirtschaft, wo das Orbit-Internet gebraucht werden könnte. Vor allem Schiffe, Flugzeuge, Autos, LKWs, Drohnen, Waffensysteme oder landwirtschaftlichen Maschinen könnten global positionsunabhängig vernetzt werden. Vor allem autark und zuverlässig von der Ausbausituation im Land vor Ort! Ein weiteres wichtiges Anwendungsszenarium könnte in Zukunft auch das Thema „autonomes Fahren“ werden.
Das Mobilfunknetz wird also satellitengestützt selbst mobil, wenn man so will. Aber es geht noch weiter. Vom Prinzip her wäre es machbar, mobile 5G-Funkmasten überall auf der Welt - dort wo sie gerade gebraucht werden - aufzustellen, versorgt mit einer Satellitenverbindung. Beispielsweise um in Naturkatastrophen-Regionen für die nötige digitale Infrastruktur zu sorgen oder bei großen Festivals außerhalb der Städte.
Fazit: 5G über Satellit könnte überall dort bestehende, terrestrische Mobilfunknetze unterstützen, ergänzen oder gar erst ermöglichen, wo der reguläre Ausbau zu aufwendig, zeitintensiv oder teuer ist.
3. Unterschied zum herkömmlichen „SAT-Internet“
Der ein oder andere wird nun vielleicht meinen, „DSL über Sat“ gibt’s doch schon seit einer Ewigkeit, wie hier von skyDSL. Wozu braucht man dann 5G über SAT? Hierbei handelt es sich aber, auch wenn thematisch verwandt, um zwei völlig unterschiedliche technische Ansätze. Im ländlichen Raum, wo selbst 4G oft noch unzulänglich ausgebaut ist, wird Satelliteninternet teilweise noch als DSL-Ersatz eingesetzt. Dabei erhält der Kunde eine Satellitenschüssel mit speziellem Zwei-Wege-LNB, also zum Empfangen UND Senden. Der komplette Zugang zum Web wird dann derart abgewickelt.
Herkömmliches SAT-DSL über eine Schüssel
3.1 Ansätze: Von der Ausbau-Hilfe für Mobilfunk bis hin zum Direct Access an jedem Handy
Beim Ansatz von 5G aus dem All geht es aber darum, möglichst viele Kunden und Endgeräte vernetzen zu können, egal wo auf dem Planeten. Möglich sind zwei technische Szenarien: Beim ersten sorgen die Satelliten für die Anbindung eines Mobilfunkmastes an einem beliebigen Ort auf der Welt. Also z.B. einer Insel, auf einem Berg oder sogar fahrenden Schiffen. Der Funkmast wird also, statt per Kabel, über den Satellitenumweg ans Kernnetz angeschlossen. So könnten auch entlegenste Siedlungen ohne viel Aufwand mit Mobilfunk versorgt werden. Der Satellit dienst also als Backhaul für eine 5G-Mast. Auf der Erde selbst benötigt man hier also weiterhin eine Empfängermodul in Form einer Sat-Antenne an der Boden-Station (Relay Node). Diese gibt die Signale/Daten dann stationär an eine zugehörige 5G-Mobilfunkanlage weiter, welche dann alle Nutzer innerhalb der lokalen Reichweite dieser Zelle bedient.
Der nächste Schritt ist der sogenannte "
Direct Access. Hier kann der
Nutzer ganz ohne Zusatzhardware, wie Satellitenschüsseln oder spezielle SAT-Handys, ins Internet kommen. Also mit ihrem ganz normalen Smartphone!
4. Funktionsweise: So funktioniert Internet aus dem All
Die folgende Infografik fast nochmal alle Möglichkeiten und Ansätze übersichtlich zusammen:
5. Voraussetzungen
Zunächst bedarf es in jedem Fall natürlich einer oder mehrere Satelliten. Technisch bedingt, eignen sich aber sehr hoch (36.000 km) kreisende geostationäre Satelliten kaum, da die Nachrichtenlaufzeit zur Erde und zurück so sehr lange dauert. SAT-DSL Nutzer kennen den Effekt - Stichwort Latenz. Diese beträgt gut eine halbe Sekunde, was für einige Anwendungen deutlich zu viel ist. Für eine Grundversorgung reicht es allerdings allemal.
Die beste Lösung liegt aber in der Verlagerung in niedrigere, sogenannte erdnahe Umlaufbahnen. Damit einher geht eine notwendige Verkleinerung (geringere Masse) der Satelliten bei gleichzeitiger Erhöhung der Quantität. Aus diesem Grund wird z.B. beim OneWeb Projekt mit vielen kleinen Mini-Satelliten gearbeitet, man könnte sagen, regelrechten Schwärmen. OneWeb hatte z.B. bis Anfang 2020 40 Stück in erdnahe Orbits (200-2.000 km) gebracht. Bald schon sollen es über 600 sein [3].
Für Szenario B (Backhaul) muss eine Bodenstation zunächst über eine Schüssel die Signale vom Satelliten annehmen. Die direkt angebundene Mobilfunkstation mit 5G-Antennen, sorgt dann klassisch für die Versorgung im Senderadius mit Mobilfunk.
Beim Direct Access (Scenario C) braucht es keine extra Mobilfunkstationen. Die Nutzer kommunizieren mit Ihren kompatiblen Endgeräten, z.B. Smartphones, direkt mit dem Satelliten.
Die Grundlagen für NTN (NTN = "Non-Terrestrial Networks) sollen im 5G-Release 17 gelegt werden. Die Standardisierung für die Backhaullösungen wurde dagegen schon im Release 16 abgeschlossen.
6. Wer baut am globalen 5G-Mobilfunk „für überall“?
Dutzende Unternehmen arbeiten und forschen weltweit direkt oder indirekt den satellitengestützten Netzen. Unter dem Trendbegriff „NewSpace“ fließen gerade Investorengelder in mehrere vielversprechende Projekte. Die drei größten werden in den Konsortien „OneWeb“, Google-SpaceX (www.spacex.com) sowie von Amazon gebündelt. Besonders Google und Amazon haben natürlich Interesse daran, dass möglichst viele Menschen auf der Welt ihre Dienste nutzen können – und das geht logischer Weise nur mit gutem, bezahlbarem Internet für alle. Bisherige Versuche mit Drohnen oder Ballons, fielen eher ernüchternd aus.
Hinter SpaceX steckt die Raumfahrtfirma des Tesla Firmengründers Elon Musk. Dieser verspricht sich, neben Einnahmen aus dem Internetgeschäft, sicher auch eine stabile Vernetzung seiner Tesla-Elektroautos – unter anderem für das schon erwähnte autonome Fahren.
Besonders hochkarätig geht es auch beim OneWeb-Projekt zu. Hier mischt z.B. Virgin Milliardär Richard Branson mit, der bei fast jedem visionären Unternehmen mit an Board ist. Aber auch der Flug- und Raumfahrtspezialist „Airbus Defence & Space“ sowie Softbank (japanischer Großkonzern) steuern Geld und Know how bei.
Aber auch der in Deutschland steht die Forschung und Erprobung keinesfalls still …
6.1 Vodafone investiert ins Satelliten-Internet über 5G/LTE
Wie Vodafone in einer Pressemitteilung im März 2020 bekannt gab, investiere das Unternehmen seither in ein weltweites Satellitennetz für LTE und 5G. Federführend ist hier die US-Firma „AST & Science“ mit dem Projekt „SpaceMobile“ (ast-science.com ) – nicht zu verwechseln also mit dem schon genannten „SpaceX“ Unternehmen von E. Musk. Als Hauptgeldgeber tritt dabei der japanische Konzern „Rakuten“ auf. Ziel sei es auch hier, 5G-Verbindungen über Satellit für herkömmliche Smartphones bereitzustellen, also ohne Zusatzgeräte. Starten soll das Angebot allerdings zunächst nur mit 4G, 5G soll „in Zukunft bereitgestellt“ [1] werden. Leider bleibt das Unternehmen auf seiner Webseite bisher sehr vage, was die Funktionsweise betrifft, was uns schon etwas stutzig macht …
6.2 Projekt „5GSatOpt“
Bei unserer Recherche zu diesem Beitrag, sind wir noch auf das deutsche Forschungsprojekt „5GSatOpt“ am „Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik“ (ZTI) gestoßen. Unter Führung von Professor Dr. Dekorsy (welcher mit seinem Team seit jeher bereits an der Entwicklung von 5G mitwirkte) von der Universität Bremen [2]. Dabei handelt es sich, frei übersetzt, um eine Simulationsplattform für die Konzeptionierung, Optimierung und Auswertung von möglichen 5G-Satellitennetzen zur Realisierung von Internet für Überall. Gefördert wird die Forschung sogar vom Land Bremen mit EU-Mitteln. Beteiligt sind Unternehmen wie die ZARM Technik AG oder DSI Aerospace Technologie GmbH.
6.3 ARTES
Deutsche Firmen und Forschungseinrichtungen leisten hier elementare Beiträge in verschiedenen Projekten, welche über den deutschen Anteil am Advanced Research in Telecommunications Systems (ARTES)-Programm der ESA finanziert werden. Auch das Deutsche Luft und Raumfahrtzentrum leistet hier wichtige Grundlagenforschung.
6.4 Fraunhofer Institut
Zu guter Letzt sei noch das Fraunhofer Institut erwähnt. Hier arbeiten 30 Mitarbeiter Lösungen für den Einsatz von Satelliten in verschiedenen Anwendungen. Das reicht von IoT- über 5G-NTN- bis hin zu High-Throughput-Anwendungen basierend auf DVB-S2X. Mehr dazu hier in unserem Interview mit Herrn Wansch vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS.
6.5 Qualcomm
Qualcomm hat Anfang 2023 bekannt gegeben, dass man künftig mit Iridium als Partner arbeite. Ab der Plattform Snapdragon 8 Gen 2 sollen die SoC´s satellitengestützte Notrufe in Form von SMS und Messengern bieten. Der Hersteller nennt den Dienst "Qualcomm Satellit". Auch 5G NTN wird supported, sobald es verfügbar ist. Mehr dazu hier.
7. Ist das die Lösung für ländliche Regionen?
Technisch gesehen könnte Sat-gestütztes Internet tatsächlich auch Besserung für abgelegene, dünn besiedelte Regionen bedeuten. Allerdings darf man nicht vergessen, dass es sich hier noch um Zukunftsmusik handelt. Weit aussichtsreicher sind da die konkreten Bestrebungen Vodafones, 5G mittels 700 MHz auch aufs Land zu bringen und so mit den Gigacube-Tarifen einen schnellen DSL-Ersatz bereitzustellen. O2 und die Dt. Telekom bauen mittlerweile ebenfalls auf dem sehr Reichweitenstarken Band für die Fläche. Wir sehen in "SAT 5G" eher eine Lösung für die Industrie und in der Logistikbranche oder aber bei Rettungsdiensten.
8. Günstiges Internet für alle?
Zumindest lautet ein Kredo ja „Internet of Everything and Enywhere“. Aber dutzende oder gar hunderte Satelliten ins All zu schießen (Plus der Verpflichtung zur Wartung und Entfernung ausgedienter Trabanten), bedeutet milliardenschwere Investitionen, welche wieder eingespielt werden wollen. Von daher erscheint es uns sehr unwahrscheinlich, dass das Konzept wirklich bezahlbares Internet für jeden auf der Welt bedeuten könnte, vor allem nicht in Entwicklungsländern. Das würde Zugänge für wenige Euro monatlich bedingen. Hier und da werden vielleicht die Mobilfunkkonzerne bequem einige lästige Lücken schließen können – der Löwenanteil der Umsätze wird aber wahrscheinlich über zahlungskräftige, wirtschaftliche Interessensgruppen, wie der Logistik, erfolgen.
9. Vorteile und Nachteile im Überblick
Nachdem wir nun ausführlich die Möglichkeiten und den Stand der Dinge aufgezeigt haben, wollen wir kurz nochmal alle Pros und Kontras zusammenfassen:
Vorteile von 5G per Satellit:
- schnelles Internet für jeden Flecken auf dem Globus möglich
- bezahlbarer Ausbau auch in entlegenen Regionen
- leistungsstarke Internetversorgung für stationäre UND bewegliche Ziele
Nachteile (mögliche):
- noch ungewisse Kosten für Nutzer
- teure, aufwändige Realisierung und Wartung für Betreiber
- Technik noch im Anfangsstadium
9. Gesundheitsrisiken durch 5G-Satelliten?
Gleich nachdem erstmals die Möglichkeit zur satellitengestützten Internetübertragung mithilfe des neuen 5G-Mobilfunkstandards publik wurde, traten Kritiker auf den Plan, welche teils abstruse Horrorszenarien malten. Etwa „gefährliche Mikrowellenstrahlung aus dem All“ oder „globaler Mikrowellenherd ohne entrinnen“. Welche Frequenzen genau zum Einsatz kommen, steht unserer Recherche nach noch nicht fest. Sie dürfte aber in der Nähe der aktuell für Rundfunk und Fernsehen verwendeten Bereiche von rund 12-18 GHz liegen. Das liegt noch etwas vor dem Millimeterwellenbereich, welcher ab rund 29 GHz startet [4]. Zumindest vom SAT-TV ist in den letzten 30 Jahren keiner „verstrahlt“ worden …
» Interview mit Dr. Marc Hoffman vom DLR zu 5G über Satellit.
» Interview mit Herrn Wansch vom Fraunhofer IIS zu 5G via Satellit
Quellen:
[1] https://ast-science.com/2020/03/03/rakuten-vodafone-invest-in-ast/
[2] https://www.ant.uni-bremen.de/en/projects/satopt/
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/digitales/highspeed-internet-weltall-satellit-100.html
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Satellitenrundfunk