5G Release 16
Alles zum zweiten 3GPP 5G-Standard (Phase 2)
Wie auch schon LTE, handelt es sich bei 5G um keinen starren Mobilfunkstandards. Dieser wird vielmehr stetig weiterentwickelt und verbessert. Mitte 2018 feierte die Branche die finale Fertigstellung der ersten Spezifikation, genauer gesagt 3GPP 5G Standalone 15. Vereinfacht gesagt, der erste „richtige“ 5G-Standard. Doch der verbesserte Release 16 folgte schon kurze Zeit später!
1. 5G Release 16 mehrmals verschoben
Ursprünglich wollte das 3GPP den 5G-Release 16, auch als 5G Phase 2 bekannt, im ersten Quartal 2020 veröffentlichen. Im Oktober 2019 wurde der Termin allerdings um drei Monate nach hinten verschoben. Im Juni 2020 war es dann endlich soweit. Danach standen die Arbeiten am Release 17 fortfolgend im Fokus des Komitees.
Zeitplant für Release 15-18 | Bild: 3gpp.org
2. Welche Neuerungen brachte der Release 16?
Die 16. Spezifikation gilt als wichtiger Meilenstein für das 5G Ecosystem welches erst mit Rel. 16 erstmals vollständig wurde. Enthalten sind einerseits Detailverbesserungen bereits bestehender Dienste und Services (zum Beispiel noch kürzere Latenzzeiten), aber auch gänzlich neue Features.
Angefangen von besseren Multimedia-Fähigkeiten (eMBB) über Verbesserungen bei V2X (Vehicle to everything), kabelloser Konvergenz oder 5G Satellitenzugang. Hier ein Auszug:
- Verbesserung der Latenz für "enhanced ultra low latency communication" (euRLLC)
(inklusive Fähigkeit für einen vollständigen Ersatz von kabelbasiertem Ethernet in Fabriken) - optimierte V2X Unterstützung per 5G
- Local Area Network Support für 5G
- 5G NR im unlizenziertem Spektrum
- Zellbasierte IoT Unterstützung sowie Weiterentwicklung
- bessere 5G basierte Positionsbestimmung
- bei Bedarf ultra zuverlässige Einsatzfähigkeit (99.9999%)
- geringerer Stromverbrauch
- verbessertes MIMO
- 5G via Satellit
- Optimierung für den Einsatz von 5G NR in unlizenzierten Bändern
- Verbesserung für Streaming & TV per 5G
- Empfangsverbesserung für Nutzerendgeräte
- kabellose und kabelbasierte Konvergenz optimiert
- verbessertes Network Slicing
3. Verbesserungen im Detail
3.1 Optimierte MIMO Performance
Release 16 brachte einige Verbesserungen in Sachen Mehrantennentechnik (MIMO) mit sich, welche sowohl die mögliche Geschwindigkeit, als auch Zuverlässigkeit und Effizienz von 5G weiter verbessern sollte. So gibt es laut 3GPP besseres Multi-User MIMO mit geringerem Overhead und Rank 4xMIMO Support.
Endgeräte können zudem nun auch Daten von unterschiedlichen Basisstationen senden und empfangen (sofern Frequency Division Multiplexing und Subscriber Data Management unterstützt wird). Des weiteren wurde das Multi-Beam Verfahren optimiert - konkret Unterstützung von "secundary cell beam failure recovery", "interference-aware-beam selection" und abermals geringerem Overhead. Weiterhin konnte die peak-to-average ratio reduziert werden, was das Up- und Downlinksignal verbessert. Zu guter Letzt steigt die mögliche Reichweite des Uplinks.
3.2 geringerer Stromverbrauch
Auch in Punkto Energieeffizienz machte Release 16 weitere Fortschritte. Erreicht wird dies durch sieben kleine Stromspartechniken: Beispielsweise wäre da das "Wakeup Signal" (WUS) welches eigentlich schon in Rel. 15 implementiert wurde. Endgeräte können zudem nun selbst gewünschte Parameter vorschlagen.
3.3 bessere Mobilitätseigenschaften
Rel 16 punktet auch mit noch besseren Verfahren bei der Zellübergabe. Also wenn sich ein User bewegt und die Reichweite von Funkzelle A verlässt und zu Zelle B übergeht. Sowohl zwischen Sub 6 GHz Stationen, als auch beim Wechsel von Sub 6 zu einer mmWave-Zelle.
3.4 optimierte Spektrumsnutzung
Release 16 kann nun noch bessere Carrier Aggregation und Dual-Connectivity Verfahren (DC) nutzen als wie in Rel 15. So wird "Cross Carrier Sheduling" unterstützt. Die Verbindung bleibt nun stabiler, falls bei einer DC die Connectivität zur Hauptzelle wegfällt, aber die Verbindung zur zweiten Zelle noch steht.
3.5 nochmals verbesserte Latenz
In Release 15 wurden bereits die Grundlagen für ultrakurze Latenzzeiten bei 5G (URLLC) geschaffen. Diese sind in Rel 16 nun nochmals verbessert (eURLLC):
Verbesserungen bei der 5G-Latenz in Rel. 16 | Bild: 3GPP
3.6 bessere Stabilität bezüglich Interferenzen
R16 beherrscht nun sogenanntes "Remote Interference Mitigation" (RIM), wobei eine Basisstation über etwaige Interferenzen in der Troposphäre (theoretisch) eine hunderte Kilometer entfernte Basisstation über diese Störung informieren und steuern kann. Auch Endgeräte in Reichweite von Zelle A, können einem Endgerät in Zelle B über Intra- und Inter-Zellinterferenzen informieren und diese auch messen (Cross-Link Interference).
3.7 kostengünstigere Abdeckung bei mmWave
5G auf mmWave Frequenzen soll bald enorme Datenraten bringen. Der Nachteil: Man benötigt aufgrund der hohen Betriebsfrequenzen, die nur eine Reichweite von wenigen hundert Metern haben, sehr viele Funkzellen und eine Stadt abzudecken. Die Anbindung von jeder dieser "Smart Cells" mit Glasfaser wäre sehr aufwendig und teuer. Mit 5G NR mmWave IAB (Integrated Access and Backhaul) kann nun die Reichweite erhöht werden, bei gleichzeitiger Kostenreduktion.
Und das geht beispielsweise so: Eine Sub 6 GHz Funkstation in der Stadt ist über Glasfaser ans Kernnetz angeschlossen. Diese bindet zudem noch eine benachbarte mmWave Station direkt an. Viele weitere mmWave-Zellen werden dann nur über die "Multi-Hop" Fähigkeit per Funk angebunden. Das Signal "springt" also von Station zu Station. Auch entlegenere Haushalte können so z.B. noch per Fixed Wireless Access versorgt werden.
bessere Abdeckung durch mmWave IAB in Rel. 16 | Bild: 3GPP
3.8 bessere Uplink Performance
Ein 5G-Endgerät nach Release 16 kann nun wahlweise zwischen einem Uplink-Kanal oder zwei Kanälen wechseln. Beispiel: Das Smartphone nutzt Carrier Aggregation für das Senden von Daten. Einmal Träger 1 auf Band n78 und Träger 2 mit Band n1. Neuerdings hat das Handy die Wahl zwischen zwei Betriebsmodi:
1) 1 x Antenne auf Träger 1 und 1 x Antenne auf Träger 2 ODER
2) 0 x Antenne auf Träger 1 und 2 x Antennen auf Träger 2
Auch inter-band Aggregation wird unterstützt. Einmal normal oder mit Supplemetal Uplink (SUL) ohne LTE/NR Dual Connectivity. Oder LTE/NR DC ohne SUL.
3.9 Vo5G mit mehr Stabilität
Bei LTE brachte "Voice over LTE" einen erheblichen Sprung nach vorne in Sachen Mobilfunksprachqualität und Performance. Auch 5G ermöglicht in ähnlicher Weise digitale Telefonie via Voice over NR. Rel 16 bringt einige Verbesserungen zur Aufrechterhaltung von Gesprächen bei Zell- oder Standardwechseln mit sich. So wurde nun auch das Circuit-Switched Fallback Verfahren implementiert, so dass auch Gespräche weitergeführt werden können, falls sich ein User aus der Reichweite einer 5G-Station bewegt und am neuen Standort nur 3G verfügbar ist. Der Fallback auf 4G war bereits in Rel 15 geregelt. Des Weiteren wurde eine Notruf Untersetzung eingebaut (außer 3G). Damit ist das Handling von VoNR nun komplett.
4. Erweiterungen
Kommen wir nun zu den Neuerungen die im 16. Release Beachtung fanden.
4.1 Betrieb im "Unlizenzierten Spektrum"
Auch bei LTE gab es schon Spezifikationen zum Einsatz in Frequenzbereichen, die eigentlich nicht für den Betrieb offiziell freigegeben wurden, etwa weil in diesem WLAN funkt. Bei lokalen Netzen kann diese Teilnutzung aber mitunter sinnvoll sein. Auch NR erhält nun diese Fähigkeit. Hier gibt es zwei Möglichkeiten - Anchored NR-Unlicensed und Standalone NR-Unlicensed.
Im ersten Fall kann ein lizensierter oder geteilter Bereich als Ankerfrequenz genommen werden - zusätzlich werden noch Bänder im unlizenzierten Spektrum aufgeschaltet. Bis zu 100 MHz für den Up- und 400 MHz beim Downstream.
Standalone NR-U hingegen funkt einzig im nichtlizensierten Spektrum. Es gelten dieselben Bandbreiten wie bei Anchored NR-U. Das eröffnet neue Einsatzszenarien, neue Märkte und schaltet weltweit mehr Kapazität frei.
4.2 zeitkritische Netze
Release 16 optimiert weiter besonders zeitkritische Netzwerke in der Industrie - besonders für IoT-Anwendungen.
4.3 Autonomes Fahren
Weiterhin wurden Neuerungen für die Fahrzeugkommunikation (V2X) geschaffen. Sowohl in Punkto Vehicle to Vehicle (V2V) als auch Vehicle to Infrastructure (V2I). Bald schon soll 5G unter anderem das autonome Fahren zum Erfolg führen. Konkret wurden in Rel. 16 einige neue Anwendungen implementiert. Echtzeitüberwachung des Verkehrs und neue Sensordaten sollen den Weg ebnen.
4.4 Ortungstechnik
Für die Positionsbestimmung wird bekanntlich meist GPS oder das europäische Pendant Galileo genutzt. In R16 sind nun Standortbestimmungs-Techniken über 5G selbst enthalten, welche auch ohne Satellit auskommen. Indoor soll eine Genauigkeit von immerhin 3 Metern erzielbar sein und im Außenbereich 10 Meter. Das ist im Vergleich zur Satellitenortung nicht besonders gut, aber genügt für bestimmte Anwendungen (Fahrzeug- oder Maschinenortung etc.) völlig.
Ermittelt wird die Position durch einen Mix aus Analyse der Round-Up-Time, des Winkels einfallender und abgehender Funkwellen und einer Zeitunterschiedsanalyse für ankommende Signale (TDOA). Zusätzlich wird "Single cell positioning" eingesetzt. Mit dem folgenden Release 17 plant die 3GPP sogar noch eine weitere Verbesserung der Genauigkeit.
4.5 enhanced TV um 5G-Broadcast zu komplettieren
Das sogenannte 5G-Broadcast soll eventuell in naher Zukunft Fernsehen auch übers Mobilfunknetz an die Nutzer verteilen. Ähnlich wie DVB-T2 heute, nur eben via Mobilfunk. Mit Rel16 wurden die letzten Voraussetzungen geschaffen um der Definition "Rundfunk" zu genügen.
bessere Abdeckung durch mmWave IAB in Rel. 16 | Bild: 3GPP
4.6 Weiterentwicklung von eMTC und NB-IoT für das Internet der Dinge
Eine weitere Neuerung in Release 16 soll IoT weiter stärken. Dazu gehört In-Band eMTC und Nearband IoT im 5G-Träger. Des Weiteren gibt es nun einen 5G-Kernnetz Support mit 5G NR SA sowie Effizienzfunktionen wie "group wakeup signal" oder "multi-block sheduling".
Release 17 als nächster Evolutionsschritt
Schon Mitte 2022 folgte der nächste Versionssprung auf Rel 17. Auch hier implementierte die 3GPP wieder etliche Optimierungen. Etwa noch besseres eMBB, der Support neuer Spektren über 52.6 GHz, flexibleres IAB, bessere IoT und V2X Fähigkeiten, akkuratere Positionsbestimmung und eine Art "5G light" für Wearables, wie Smartwatches.
Weiterführendes
»
Was bringt Release 18?
Quellen:
https://www.3gpp.org/release-16
https://www.3gpp.org/DynaReport/38-series.htm